Die Debatte um digitale Souveränität in Europa krankt meiner Meinung nach an einer Fehlannahme: dass der Serverstandort Europa allein Schutz, Unabhängigkeit und ethische „Korrektheit“ garantiert. Doch geografische Grenzen sind meiner Meinung nicht das wirkliche Problem – die Besitzverhältnisse sind es.
Wir sprechen von europäischen Clouds, europäischen KI-Modellen, europäischen Plattformen – als ob der Ort, der Server oder der Pass der Investoren entscheidend wäre für unsere digitale Zukunft.
Worüber wir eigentlich diskutieren sollten, ist die digitale Souveränität der Zivilgesellschaft. Eine Souveränität, die sich nicht an geographischen Grenzen orientiert, sondern an Werten: Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen, Transparenz der Systeme, Kontrolle über Daten, Rechenschaftspflicht der Macher.
Ja, es ist wichtig, sich von den großen, gewinnorientierten, amerikanischen Plattformen zu emanzipieren. Aber wir sollten uns nicht einreden, dass der Zusatz „europäisch“ automatisch mehr Schutz oder Qualität bedeutet. „Made / Hosted in Europe“ ist keine Garantie mehr.
Wir wissen nicht, wie sich die politischen Systeme in Europa entwickeln werden. Der Aufstieg autoritärer, populistischer und wirtschaftslibertärer Kräfte ist kein Randphänomen mehr – er ist in vielen Ländern Realität: in Ungarn, in Italien, in den Niederlanden, vielleicht bald auch in Deutschland. Was passiert mit einer „europäischen Cloud“, wenn sie von einer EU verwaltet wird, in der Orban, Meloni oder die AfD den Ton angeben?
Deshalb reicht europäische Souveränität nicht. Wir brauchen zivilgesellschaftliche Souveränität.
Offene und transparente Technologien, föderierte Systeme, öffentliche Infrastrukturen, digitale, vielleicht genossenschaftliche Gemeingüter – all das wären meines Erachtens Bausteine für eine lebenswerte digitale Realität.
Kurz: Nicht wo eine Plattform steht, sollte uns interessieren (oder nur im Hinblick auf Verfügbarkeit und die Zugriffsmöglichkeiten amoklaufender Strafverfolgungsbehören) – sondern wem sie dient. Und ob wir sie im Sinne der Allgemeinheit demokratisch gestalten und kontrollieren können.